Editorial (von Erika Panzig)
Wie ist Jesus weiẞ geworden?
von Sarah Vecera, Patmos Verlag, Taschenbuch 19 Euro
Sarah Vecera während einer Lesung in der Universität Leipzig im Juli 2022 | Foto: Erik Panzig
Am 6. Juli nahm ich an einer Veranstaltung von theoversity an der Universität zu Leipzig teil. Zu einer Lesung mit anschließender Diskussion war die Autorin Sarah Vecera eingeladen. Im Hörsaal 1 der theologischen Fakultät hatten sich zirka 120 Personen versammelt. Zusätzliche Stühle mussten beschafft werden, damit alle Menschen Platz fanden. In beeindruckender Klarheit trug Sarah Vecera ihren Traum von einer Kirche ohne Rassismus vor, den ich zur Lektüre ausdrücklich empfehlen möchte: Sarah Vecera, Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus (Das Taschenbuch kostet 19,00 Euro.)
Deutlich wurde mir, dass kein Mensch gegen Rassismus immun ist. Rassistische Denk-, Sprech- und Handlungsweisen sind auch unter uns Christinnen und Christen in Deutschland weit verbreitet. Das liegt vor allem an einer jahrhundertealten deutschsprachigen Theologie, die heute immer noch nach den wissenschaftlichen Kategorien der europäischen Aufklärung an den Universitäten gelehrt und von Pfarrerinnen und Pfarrern von den Kanzeln tradiert wird. Eurozentristisches Denken zeigt sich auch in der Tatsache, dass aktuell nur ein einziger Lehrstuhl für außereuropäische Kirchengeschichte im deutschsprachigen Raum existiert und die evangelischen Landeskirchen sich nach wie vor schwer damit tun, außerdeutsche theologische Abschlüsse anzuerkennen.
Sarah Vecera ist Tochter einer Christin und eines Muslims. In ihrer schulischen und universitären Ausbildung hat sie rassistische Ressentiments häufig zu spüren bekommen. Die studierte Theologin und ausgebildete Religionspädagogin vermisst bis heute eine fundierte antirassistische Aus- und Fortbildung in Theologie und Kirche. Menschen mit Migrationshintergrund haben es nach wie vor schwer in einer weißen Kirche.
Sarah Vecera ist Mitarbeiterin der Vereinten Evangelischen Mission (VEM). Sie engagiert sich für mehr Sensibilität in der Wahrnehmung von Perspektiven von people of colour. Sie spricht von erfahrener Mikroaggression in Wortwahl und Haltung, die weiße Menschen an sich oft gar nicht wahrnehmen. So muss beispielweise das Engagement in einer Eine-Welt-Initiative durchaus kritisch gesehen werden, wenn dabei die deutsche bzw. europäische Perspektive aus einer Haltung des Gebens und die Perspektive des globalen Südens als Haltung des Nehmens wahrgenommen wird.
Hinzu kommen intergenerative Barrieren des Verstehens. Ältere ehrenamtlich Engagierte in den Kirchgemeinden haben oft ein mittlerweile überholtes Verständnis von Mission. Tradierte Rollen (Nord-Süd, schwarz-weiß) können aufgearbeitet werden, wenn die Bereitschaft zur kritischen Reflexion der eigenen Rolle besteht, Einfühlsamkeit in die jeweils andere Perspektive existiert und eine gehörige Portion Misserfolgsbereitschaft in der Kommunikation an den Tag gelegt wird.
Dr. Erik Panzig | Leiter der Frauenarbeit
Video-Tipp
"Wie ist Jesus weiß geworden?" in der ardmediathek.de
Lesung
"Wie ist Jesus weiß geworden?" am 6. Juli 2022 bei
uni-leipzig.de
Eine Veranstaltung von
#theoversity.